Normales Fehldesign
Von M. Dettmer am .
Was denken sich Computer-Ingenieure eigentlich bei der Arbeit?
Nichts.
Wie wärs mit Umdenken?
Meine Erfahrungen mit Computern gehen bis in die Steinzeit zurück. Wer noch aus TTL-Bausteinen ein Register aufbauen kann, darf sich zu dem heutigen Blödsinn eine Meinung bilden, oder? Viele Jahre Reparaturen und Service prägen den Charakter. Bei mir ist das mit vielen Erlebnissen verbunden, über die ich lange nachdenken musste. Meist merkt man es nicht sofort - aber irgendwann ist das alles nur noch komisch. Ich kann das alles nicht mehr ernst nehmen jetzt.
Fangen wir mit der alten Geschichte an, die schon IBM zum Clown gemacht hat. Der erste PC hatte ein sogenanntes BIOS, ein „Basic Input Output System“. Dieses System wurde und wird immer noch gestartet, bevor das Betriebssystem geladen wird. Beim Start werden alle denkbaren Komponenten auf Funktion getestet. Auch die Tastatur. Wenn diese nicht angeschlossen war, erschien „Keyboard Error“ - mit dem Hinweis, doch bitte die F1-Taste zu drücken, um weiterzumachen. Egal, ob die Tastatur defekt oder nicht angeschlossen ist, ist diese Meldung eine Lachnummer.
Wie wärs? Einfach weitermachen wenn die Tastatur unsichtbar ist? Ohne F1?

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Kommen wir zum nächsten Witz. Die Einschalter. Bei den ersten IBM PC’s waren das noch riesige, rote Kippschalter. Die hat man sogar im Dunkeln gefunden. Leider ist das heute anders. Die Hersteller der Hard- und Software möchten eben nicht mehr so gerne, dass die Geräte an- und abgeschaltet werden. Deshalb wird der Einschalter auch so gut wie möglich versteckt. Sowohl optisch als auch haptisch. Jeder Versuch, heute einen Rechner im Dunkeln oder unter einem Tisch (ohne Sichtkontakt) ein- oder abzuschalten endet in einer Katastrophe - gestoßene Knie und Köpfe eingeschlossen.
Wie wärs mit optisch und haptisch deutlich wahrnehmbaren Schaltern, liebe Designer?
Das nächste Ärgernis sind die kleinen Leuchtdioden, die anzeigen, ob die „Platte“ läuft oder das System eingeschaltet ist. Auch diese sind so futzelig klein, dass eine sichere Beurteilung der Sachlage oft unmöglich ist. Und überhaupt: Wen interessiert denn heute noch, ob auf den Massenspeiucehr zugegriffen wird? Oft sind die Lämpchen sogar IN den Schaltern eingebaut. Und die Schalter sind schon winzig. Miniaturisierung ist ja ganz nett - aber muss das denn bei mir unter dem Tisch so sein?
Wie wärs mit richtig guten, hellen Signalleuchten für die wirklich wichtigen Informationen?
Dann die Sache mit der Temperatur. Es gibt sie, sie wird auch gemessen, sie spielt eine Rolle - sie wird aber nirgends angezeigt. Die Anzahl der Rechner, die wegen Staub oder zu kleiner Regalfächer an Überhitzung gestorben sind, ist ungezählt.
Wie wärs mit einer einfachen Überhitzungs-Leuchtdiode anstatt der Anzeige für den „Plattenzugriff“, liebe Kollegen?
So, und jetzt wird es weich. Um genau zu sein klein und weich. Seit es unser Standard- Betriebssystem gibt - jeder weiss welches ich meine - kennen wir auch unseren Generalstab.

Fehlermeldungen wie „General Protection Error“ oder „General Failure“ sind besonders hilfreich. Überhaupt Fehlermeldungen. Der Entwickler, die diese (egal welche) Fehlermeldung erstellt hat, weiss ganz genau was schief gelaufen ist. Sonst würde er diese Meldung ja nicht anzeigen. Das Schlimme daran: Er weiss meist auch, wie das Problem behoben werden kann und welche Probleme mit der Behebung verbunden sind. Aber das wird lieber verdrängt. Ist wohl auch billiger.
Wie wärs? Gleich die notwendige Aktion durchführen? Meldung ist unnötig.
Der nächste Witz über den wir alle nicht mehr lachen sind die Updates. Sie kommen unangemeldet und bekämpfen unseren Arbeitswillen wie Heckenschützen. Kaum will man loslegen, wird erst mal eine halbe Stunde Update installiert. Und wenn man den Rechner ausschaltet, ist alles weg? Ehrlich? Bitte melden, wer das schon getestet hat.

Wie wärs? Volle Kontrolle darüber, wann was und wo installiert wird?
Generell ist diese Update-Masche ja für die Weiterentwicklung und den Erhalt der Software-Industrie wohl unbedingt erforderlich. So viele Probleme mit der Sicherheit und Stabilität? Unfassbar geradezu.
Wie wärs? Mal ein Betriebssystem oder eine Software, die nicht zerbombt werden kann?
Früher zu Zeiten eines Sinclair ZX81 oder des C64 war das Betriebssystem noch in einem ROM untergebracht. ROM steht für „Read Only Memory“ - also nur zum Lesen. Wenn man das nicht beschreiben kann, kann wohl auch nichts kaputt gehen?

Wie wärs? Das Betriebssystem mal wieder sicher machen und auf das Motherboard kleben?
Die Behauptung, dass alles schlechter geworden ist, ist im Gegensatz auch nicht haltbar. Vieles ist besser als früher - zum Beispiel dass es immer weniger „drehende Medien“ gibt - dank der Cloud und dem Flash-Speicher. Schon folgen die nächsten dämlichen Probleme.
Wenn ein CD-Laufwerk angesprochen werden soll, steht oft der gesamte Rechner, bis der Zugriff möglich ist. Das ist für den Arbeitsablauf besonders förderlich - weil dann die nächste Idee der nächste Kaffee ist.
Wie wärs? Mal die alten drehenden Medien im Hintergrund bedienen und den Anwender nicht bei der Arbeit stören?

Schlimmer wird es mit den nicht mehr auszurottenden USB Sticks. Hier besteht immer die Chance, durch Weglaufen unter Mitnahme desselben die Bits auf der Straße zu verlieren und am Ziel einen defekten Stick zu besitzen. Gräßlich, oder? Und wie kommts? Die Herrschaften Betriebssystem-Hersteller schaffen es nicht, das Disk Operating System so zu gestalten, dass immer alles gleich auf den Stick geschrieben wird. Und dass es fertig ist, wenn es fertig aussieht. Real läuft die Technik ständig hinterher und schreibt noch bei Gelegenheit was nach. Und wenn das gerade die Einträge im Inhaltsverzeichnis sind, dann ist der Spass vorbei.
Wie wärs? Einfach mal sofort fertig werden mit den Schreiben? Egal wann man den Stick rauszieht?
Das Wort Atavismus habe ich früher nicht gekannt. Erst als die Digitalkameras immer noch so ausgesehen haben, als ob da rechts und links noch Filmrollen drin sind, habe ich dieses Wort gefunden. Und um nichts anderes geht es bei diesen Themen. Es sind Atavismen, zum Überleben unnötige Überbleibsel der Vergangenheit. Nur Verliebtheit kann das noch erklären. Mit wettbewerbsorientiertem und effektivem Engineering hat das alles nichts mehr zu tun.